Seit Oktober hat die ZEGG Bildungszentrum gGmbH eine neue Geschäftsführung: Veronika Oehler (47), Markus Euler (54) und Nico Roth (67) wurden von der Gemeinschaft für zwei Jahre gewählt. Sie werden - wie auch die vorherige Geschäftsführung - von Christine Schumacher unterstützt. Hier kannst du mehr über ihre Ideen, Visionen, Haltungen und Wünsche erfahren.

„Wir wünschen uns eine Zeit, in der unser Bildungszentrum viele köstliche Früchte unser aller Lebenslust und Tatkraft trägt; eine Zeit, in der wir immer wieder zur Ruhe und zur tiefen Verbindung mit unserer Vision kommen und eine Zeit, in der wir vor allem gemeinsam wirken und uns als WIR wahrnehmen und fühlen“ schrieb die neue Geschäftsführung in ihrer Antrittsemail. Und dann noch: „Auf unseren gemeinsamen Bildungsbetrieb!“.

Die neue ZEGG Geschäftsführung

„Denn wir sind nicht die da oben“, betont Veronika und sieht die Geschäftsführung eher als einen Dienst an der Gemeinschaft. Die Aufgabe war nicht sehr beliebt, nachdem in den letzten Jahren der Covid-Verordnungen und internen Spannungen der vorherigen Geschäftsführung viel aufgebürdet wurde. Umso erfreulicher, dass sich nach langem Wahlprozess ein motiviertes Team zusammengefunden hat. Das auch die ganze Gemeinschaft mit in eine Gesamtverantwortung nehmen möchte: „Wir alle sind Geschäftsführer:innen“, formuliert es Markus.

Denn alle Gemeinschafts- und Vereinsmitglieder sind Eigner der gGmbH: „Wir alle sind Unternehmer:innen“. So ist eine spannende Frage der neuen Geschäftsführung: Wie geht es, einen Betrieb anders zu führen als in der freien Wirtschaft? Denn das ZEGG forscht schon lange an der Entwicklung seines Bildungsbetriebes, ist Arbeitgeberin geworden mit vielen Angestellten, die gleichzeitig die Besitzer:innen der gGmbH sind. Ein komplexes System.

So gibt es eine langjährige Diskussion über das Verhältnis zwischen Gemeinschaft und Betrieb. Ein Anliegen der neuen Geschäftsführung ist deshalb eine gute Balance zwischen Betrieb und Gemeinschaft. Außerdem gibt es hohe Ansprüche an ökologisches und ethisches Handeln. Veronika hat sich zum Beispiel mit Gemeinwohlökonomie beschäftigt und bringt diese Ideen mit ein. „Es ist ja nicht nur Verantwortung und Last, einen Betrieb zu führen. Sondern auch eine Freude und gelebte Gemeinschaft! In unseren Arbeitstreffen kommen wir gemeinsam in den Flow, wenn wir uns immer tiefer vertrauen und wenn wir Kooperation wichtiger nehmen als unsere eigenen tollen Ideen.“

Geschäftsführung

Die Drei ergänzen sich im Team gut:

Markus leitet seit vielen Jahren das Finanzbüro und übernimmt weiter Verantwortung für diesen Bereich. Außerdem kennt er das ZEGG seit 27 Jahren und lebte schon vorher aus Überzeugung in Gemeinschaft: „Die Welt ist in der Krise. Ich will Alternativen dazu leben: Ich will kein Teil des (Umwelt-, gesellschaftlichen) Problems sein, ich will Teil der Lösung sein“. Seiner Beobachtung nach hat sich das ZEGG verändert: „Wir haben uns entwickelt und wollen manches nicht mehr wie früher machen. Wir haben was Solides aufgebaut, auch mit den Menschen aus unserem Netzwerk und Freundeskreis“.

Veronika lebt seit fast sechs Jahren im ZEGG, ist damit Teil des Generationenwechsels und für die Außenkontakte des ZEGG zuständig: da, wo es viel um Gespräche geht. Hierfür ist sie als Psychologin und Mediatorin gut ausgebildet. Besonders liegen ihr die Kontakte zu unseren Freund:innen und Förderer:innen am Herzen und sie ist gemeinsam mit unserer Fundraiserin Charlotte Ansprechpartnerin für euch. Ihr Motto für die Geschäftsführung: „Ich trete dafür an, dass unser Unternehmen in Liebe geführt wird. Und das meine ich nicht blumig, das meine ich ernst. Ich habe die Hoffnung, dass sich irgendwann in der Zukunft unser Wirtschaftssystem an menschlichen Werten orientiert anstatt an Wachstum und Profit“.

Nico hat lange in der freien Wirtschaft als Betriebsrat und in der Mitarbeiterführung gearbeitet, politische Initiativen und Vereine gegründet und bringt dieses strukturell-rechtliche Wissen mit ein. Im ZEGG lebt er seit 9 Jahren und leitet den Organisationsentwicklungskreis: „Den Spaß, so eine Organisation noch mal neu zu denken und aufzustellen, den habe ich“. Ihm ist der Generationenwechsel im ZEGG wichtig und dabei sieht er sich als Älterer eher als ein Stand-behind, als Rückendeckung für die jüngere Generation. Da er von seiner Rente lebt, nimmt er auch kein Geld für die Geschäftsführung. Außerdem hat er Lust, weiter von Menschen draußen zu lernen, z.B. den Freundeskreis zu fragen nach ihren best practice Erfahrungen: Wie machen das andere Gemeinschaften und Organisationen in Bezug auf demokratisch-soziale Strukturen?

Hier im ZEGG ist laut Markus die leitende Frage: „Wer ist die beste Person, die jetzt diese oder jene Aufgabe übernehmen kann?“. So fließt auch integrales Denken in die Betriebsführung ein: „Wir gehen weg von den persönlichen Vorteilen hin zu dem, was die Welt oder die Gemeinschaft braucht“. Dabei bleibt eines wichtig: Fürsorge für die eigenen Bedürfnisse. Markus stellt klar: „Ich wünsche mir, dass nicht nur die Gemeinschaft blüht, sondern jede:r Einzelne hier“. In seiner Emailsignatur steht jetzt: „Führung bedeutet nicht, andere klein zu machen, sondern andere groß zu machen“.

Als eine der ersten Entscheidungen wurde das bisherige Management des ZEGG in Koordinierungskreis (ein Begriff aus der Soziokratie) umbenannt. Hier kommen die Vertreter:innen der verschiedenen Arbeitskreise einmal in der Woche mit der Geschäftsführung zusammen: „Wir fühlen uns da gut unterstützt und wollen auch selbst die Kreisleitungen stärken, dass sie gut für sich und ihren Arbeitsbereich sorgen können“. Und Nico betont: „Die Resilienz des Einzelnen stärkt das ganze System“.

Dem großen Ganzen dienen und gleichzeitig genug Selbstfürsorge leben – dabei präsent sein, zentriert und sich bezogen-verantwortlich verhalten. Hohe Ansprüche, die viele Gemeinschaftsmenschen leben wollen und so auch die neue Geschäftsführung. Wie man sie dabei unterstützen kann? Markus lacht: „Gerne einfach fragen: Kann ich dir was Gutes tun?“.

Alicia Dieminger im Gespräch mit der neuen Geschäftsführung, die sich selbst noch weiter vorstellt:

 

Veronika

Veronika

Ich bin die Jüngste im Kleeblatt der neuen Geschäftsführung und lebe auch die kürzeste Zeit im ZEGG. Ich hoffe, mit Leichtigkeit in meine Zuständigkeiten hineinzuwachsen und will gern meine Begeisterung für diese Aufgabe teilen.

Als Gemeinschaft verfolgen wir unter anderem die folgenden Werte: „Verantwortung für die Zukunft des Lebens“, „Wirksamkeit“ im Sinne von Einfluss auf gesellschaftliche Entwicklungen und „Liebe“. Unser selbstorganisierter, soziokratisch strukturierter Bildungsbetrieb bietet uns die große Chance, diese Werte ganz bodenständig im täglichen Leben Wirklichkeit werden zu lassen.

Ich trete dafür an, dass unser Unternehmen in Liebe geführt wird. Und das meine ich nicht blumig, das meine ich ernst. Ich habe die Hoffnung, dass sich unser Wirtschaftssystem in Zukunft grundlegend verändert. Die Triebfeder für das Führen einer Firma darf aus meiner Sicht nicht mehr der wachsende Gewinn und das wirtschaftliche Wachstum an sich sein.

Auch der Antrieb für die eigene Arbeit darf aus meiner Sicht nicht mehr von einem steigenden Einkommen, einer Art Entschädigungsleistung herrühren. Für mich basiert ein nachhaltiges Wirtschaften neben den ökologischen Notwendigkeiten darauf, dass Menschen, die die Arbeit tun

  • umfangreich mitbestimmen können,

  • dass sie sich wirksam fühlen,

  • dass sie echten Anteil nehmen an der Entwicklung ihres Unternehmens und

  • dass sie durch den Sinn und den Zusammenhalt ihre Arbeit ebenso lieben wie ihre Freizeit.

Neben den täglichen formellen Tätigkeiten werden meine Schwerpunkte die Außenkontakte der gGmbH zu Ämtern, zur kommunalen Politik, zu anderen Mitstreiter:innen in der Region und zu überregionalen Netzwerken sein. Besonders liegen mir die Kontakte zu unseren Freund:innen und Förderer:innen am Herzen.

Ich habe erst in diesem Jahr beim ZEGG Club Fest so richtig verstanden, dass die Förderer.innen nicht einfach Geldgeber sind, sondern dass uns jahrelange Freundschaft, gemeinsame Hoffnungen und Visionen verbinden. Das macht mich nicht nur dankbar, sondern ich bin begeistert über die Möglichkeit, daraus in Zukunft mehr Synergien entstehen zu lassen. Dafür bin ich sehr gern die Ansprechpartnerin.

Denn ich glaube, dass die Lösungen, die gefunden werden müssen für die kritischen Fragen unserer Zeit nicht von Einzelnen gefunden werden, auch nicht von einzelnen Gemeinschaften, sondern von großen Netzwerken kooperierender Menschen.

 

Nico

NicoFlipchartbearbeitetWenn ich in die nähere Zukunft schaue, gibt es für mich folgende zentrale Aufgaben:

  • Als Team und bei Entscheidungen über neue Projekte: den Mut und die Weite einzuladen und zu wagen diese Projekte anzugehen.

  • Dabei einen Plan B zu haben, wegen der wilden Zeiten, in denen wir gerade leben.

Dieser Spagat ist ein echter Balance-Akt und wird eine Herausforderung sein.

Um diese Projekte umzusetzen, braucht es von uns als Geschäftsführung, dass wir:

  • die Wirksamkeit und Resilienz der Einzelnen und des Systems unterstützen und

  • die demokratischen und sozialen Strukturen stärken und weiterentwickeln.

Für mich ist dies die Vorrausetzung, um die vor uns liegenden Herausforderungen kraftvoll anzugehen. Diese Herausforderungen sind für mich:

  • Aktiver Teil einer Veränderungsbewegung für ein menschlicheres Leben zu sein

  • Gestaltung des Generationenwechsels im ZEGG

  • Gründung einer Wohngenossenschaft im ZEGG

  • Absicherung unserer finanziellen Zukunft als Projekt.

Mein ganz persönlicher Anspruch an die neue Rolle in der Geschäftsführung ist folgende Qualitäten zu leben:

      • Zuhören, zuhören, zuhören

      • Demut, Demut

      • Entscheidungswille

      • Gestaltungsfreude

 

Markus

Markus Meditation

Von dem Moment an, an dem ich das ZEGG 1994 kennengelernt habe, wusste ich: Hier will ich bleiben. Bleiben hieß für mich immer auch mitmachen, mitgestalten, Verantwortung übernehmen. Seit vielen Jahren halte ich unsere Finanzen in meinen Händen. Viele Menschen haben mich darin unterstützt und dafür bin ich dankbar. Aber es ist auch sehr herausfordernd so viel Verantwortung zu tragen. Vor allem, wenn mensch persönlich durch Höhen und Tiefen geht. Die Höhen sind insofern problematisch, dass mensch sich dann tendenziell nicht mehr um Verwaltung kümmern mag (was aber wichtig ist, wenn es sonst niemand macht). Über die Tiefen, und davon gab es reichlich, muss ich wohl nicht viel sagen.

Die menschliche Arbeit hier im ZEGG geht viel darum zu fühlen und nicht etwas wegzudrücken. Ich lasse mich auch in der alltäglichen Arbeit davon leiten. Was nicht heißt, dass ich alles stehen und liegen lasse, wenn ich zum Beispiel Liebeskummer habe. Aber ich versuche doch immer Raum für mich, Raum für mein Fühlen, Nachspüren zu haben. Das gebe ich auch an meine Mitarbeiter:innen und Kolleg:innen weiter. Sehr oft sage ich: Pass auf dich auf, überfordere dich nicht, nimm dir Zeit für dich.

Das ZEGG ist kein Ort zum nur arbeiten.

Das ZEGG ist ein Lebensort, aber damit er gelingt, müssen wir auch von Zeit zu Zeit arbeiten.

Letztlich ist jede Teilnahme an der Welt eine spirituelle Aufgabe. Ich wollte nicht ins Geschäftsführungsteam. Aber wer bin ich, Nein zu sagen, wenn Gott mich an diese Stelle stellt. Wenn Trolle, Feen und sonstige Platzgeister flüstern: „Du solltest es tun“. Wenn sich das Universum zu mir herabbeugt und sagt: „Eh Alter, jetzt mach ma hin“. Und Gott über den Plan lacht, den ich mir für mein Leben gemacht hatte.

Auch in meinem sonstigen Leben läuft nicht immer alles nach Plan. Wenn ich es so recht bedenke, geht es viel um Vertrauen. Wenn ich meinen Gemeinschaftsfreunden vertrauen kann, kann ich alles bewältigen, was an Aufgaben auf mich zukommt. Ich kann auf die Integrität der Menschen um mich herum bauen und daher bin ich frei zu tun, was das System braucht um zu gedeihen.

Wir sind alle noch getrieben von den Strukturen des Systems, aus dem wir kommen. Wir verbinden viel Arbeiten, viel tun mit unserer Berechtigung zu Sein. Auch hier bei uns gibt es workoholische Strukturen. Doch wir versuchen sie aufzudecken und zu verändern. Damit wir als Gemeinschaft und Gesellschaft zu dem kommen, was wirklich wichtig ist. Menschlich miteinander zu leben und uns gegenseitig beizutragen, zum Wohl des einzelnen und des Ganzen.

In diesem Sinne ist das ZEGG wirklich so, wie es heißt: experimentelle Gesellschaftsgestaltung. Experimentell vor allem deshalb, weil wir uns daran erinnern, dass wir längst noch nicht dort sind, wo wir hinwollen. Aber das ist für uns kein Grund den Weg nicht zu gehen.

 

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