Wer in Verbindung denkt statt in Trennung bildet Gemeinschaft. Wenn Menschen bei Entscheidungen darauf achten, nicht nur für sich selbst, sondern für alle das Beste zu wählen – da bilden wir Gemeinschaft. Als ich 2001 ins ZEGG kam, wurde immer wieder über Gemeinschaftsaufbau gesprochen. Damals wunderte ich mich, denn wir waren in meiner Wahrnehmung doch schon eine Gemeinschaft. Es gab den Platz, viele Menschen, die hier lebten und es gab Wärme, Kontakt und Vertrauen untereinander - mehr als ich es bis dahin in Gruppen erlebt hatte. Wieso sprachen sie immer wieder davon, Gemeinschaft aufzubauen?
Später verstand ich, dass Gemeinschaft eine Entscheidung ist, die wir nicht in die Wiege gelegt bekamen. Daher sind wir immer wieder neu gefragt, uns für Verbindung zu entscheiden: und so bauen wir - Moment für Moment – Gemeinschaft auf.
Vorgängerprojekt Bauhütte
Das ZEGG kann nicht gedacht werden ohne sein Vorgängerprojekt, die Bauhütte. Gemeinschaft wurde dort größer verstanden als Gemeinschaft mit allem Lebendigen, in dem wir als Menschen unseren Platz neu finden müssen: nicht als Ausbeuter:innen und in Trennung, sondern in Verbindung mit der Schöpfung. Dieter Duhm inspirierte mit seinen Gedanken und Experimenten, er leitete die Gemeinschaft und die innere Friedensforschung. Welche inneren Anteile fördern Angst und in ihrer Konsequenz Gewalt und Krieg? So wichtig wie das Ziel des Friedens, so wichtig war der Weg, sich selbst als Teil dieser Kultur infrage zu stellen und mithilfe von Kunst, Spiegeln, geistigen Inspirationen und Austausch eigene Muster zu transformieren. Die radikale Suche der Gruppe führte jedoch auch dazu, sich als Elite zu fühlen. Auch das bildete Gemeinschaft durch Abgrenzung vom Rest der Gesellschaft.
Einzug ins ZEGG
1991 zog die damalige Gemeinschaft und viele Freunde ins ZEGG. Dieter Duhm und Sabine Lichtenfels zogen nicht mit ein und so war die Gruppe gefordert, neue Formen zu kreieren. Dies führte zu verschiedenen Entscheidungsgremien bis sich die Gemeinschaft 1994 als Basisdemokratie definierte. 2008 wurde die Basisdemokratie dann von der Holokratie und später von der Soziokratie abgelöst. Parallel zu den horizontaleren Organisationsstrukturen entwickelte sich die Gemeinschaft pluralistischer als in der Anfangszeit.
Methoden der Gemeinschaftsbildung
Tragendes Element der Forschung war und ist das Forum. Dies ist ein von Dieter Duhm begründeter und von uns weiter entwickelter Prozess, der hilft, nicht sichtbare Schichten von Menschen transparenter und fühlbarer zu machen. Durch die Annahme und Zeugenschaft des Kreises geschieht Transformation, außerdem Verbindung, Vertrauen und gemeinsame Werte. Später kamen weitere Inspirationsquellen und Methoden für die Gemeinschaftsbildung hinzu: die Gewaltfreie Kommunikation, Körper- und Gefühlearbeit, Theorie U, Familien- und Systemaufstellungen, Prozessarbeit, Possibility Management und immer mehr Traumawissen nach Thomas Hübl, NARM oder Somatic Experience - uvm.
Die Erkenntnis, dass viele Ansätze heute an ähnlichen Themen forschen, hat eine größere Demut ins ZEGG einziehen lassen und gleichzeitig das Gefühl gestärkt, Teil eines großen Netzwerkes zu sein von Menschen, die zur gesellschaftlichen Transformation beitragen.
Mehr Untergruppen
Im Laufe dieser inhaltlichen Diversifizierung der Methoden und Ansätze verlagerte sich die Forschung von der Gesamtgemeinschaft in Untergruppen. Ob Forumsgruppen, Liebesforschungsgruppen, Ashram, Elternschulen - immer wieder wurden neue soziale Strukturen (meist in der September-Intensivzeit) überprüft und bei Bedarf neu aufgesetzt. Manche Gruppen begleiten sich über Jahre, andere für einen bestimmten Zeitraum. Heute finden die Gruppen sich eher anarchisch - manche kommen durch Themen oder Methoden zusammen, andere über Aktivitäten (Yoga, Meditation), Interessen (Elternschaft, Paare, Männer) oder Alter (30 bis 45, über 62). Dazu kommen informelle Gruppen wie Freundeskreise oder WG- Treffen.
Treffen der Gesamtgemeinschaft
Und doch finden wir auch immer wieder als Gesamtgemeinschaft zusammen – in Intensivzeiten, die viermal im Jahr über mehrere Tage stattfinden wie auch bei der Planung und Durchführung unserer Festivals. Und natürlich vor allem im Alltag – bei Mahlzeiten in unserem Restaurant, in der täglichen Arbeit in den verschiedenen Bereichen oder bei Festen und gegenseitigen Einladungen.
Gemeinsame Ausrichtung
Insgesamt hat sich die Absicht unserer Gemeinschaft über die vielen Jahre erhalten: Liebe – die Verbindung mit dem Größeren - ist und bleibt unser größter Wert. Verändert haben sich die Wege in der Praxis. Sie sind individueller geworden, differenzierter, achtsamer. Viele gehen mit dem Erlernten nach außen, geben Ausbildungen in Liebesfähigkeit, Gemeinschaftsbildung, Forum, GFK, Soziokratie u.a. Die vielen verschiedenen Wege führen manchmal zu dem Gefühl, weniger an einem Strang zu ziehen als wir es früher taten. Und tatsächlich liegt es mehr als früher in der Selbstverantwortung, innerhalb der Gemeinschaft seinen Platz zu finden, um das eigene Potenzial zu entfalten.
Derzeit rückt neben der inneren Ausrichtung auch die materielle Konsolidierung des Projektes in den Vordergrund, was noch einmal anderen Menschen die Möglichkeit gibt, ihre Potenziale einzubringen. Auch gemeinsame Aufgaben schweißen zusammen. So ist Gemeinschaft immer wieder ein fantastisches Übungsfeld, unsere individuellen Bedürfnisse und Fähigkeiten zum Wohle des Ganzen zu entwickeln und dabei Synergien zu erzeugen.
Text: Barbara Stützel im November 2024, Fotos: Ingo Sparr, Alicia Dieminger