Glasfaser

Das ZEGG ist in der Neuzeit angekommen – zumindest was die Internetverbindung angeht. Nach jahrelanger „Mangelverwaltung“ haben wir im Oktober einen zeitgemäßen Glasfaseranschluss bekommen. Ein Anlass für viel Erleichterung – und ein kleines bisschen Wehmut.

Die mangelhafte Internetanbindung ist ein Thema, das uns seit vielen Jahren beschäftigt. Bereits 2017 hatten wir eine intensive Planungsphase, bei der wir sämtliche Optionen durchgespielt haben: Internet per Satellit, eine Richtfunkstrecke in die Stadt, DSL-Kanalbündelung, das Verlegen einer Glasfaser auf eigene Kosten, Tiefbauarbeiten in Eigenleistung...

Letztlich haben wir all das verworfen, stattdessen die Anzahl unserer Internetleitungen erhöht und aus jeder Einzelnen das Maximum herausgekitzelt. Über die Jahre ist ein komplexes Regelwerk zur bestmöglichen Lastverteilung entstanden. So haben wir zum Schluss monatliche Downloadmengen im Terabytebereich bewältigt – nahe an den physikalischen Grenzen der Anschlüsse.

Über die Jahre gab es verschiedenste Zwischenschritte, etwa die Einführung einer separaten Leitung für Menschen, die beruflich auf stabiles Internet angewiesen sind. Das brachte große Erleichterung, machte mich manchmal aber auch gefühlt zum Hehler: „Ich hab’ morgen eine wichtige Konferenz – kannste mir gutes Internet besorgen?“. So als hätte ich da eine ganz heiße Ware unterm Ladentisch, die ich gegen gewisse Gegenleistungen verchecken würde.

2020 begann ein Abenteuer der ganz eigenen Art: die Telekom teilte mit, dass es Fördermittel für den Glasfaserausbau in unserer Region gebe, wovon auch wir in absehbarer Zeit profitieren würden. „Absehbar“ wurde zum dehnbaren Begriff: einerseits verschoben sich die versprochenen Fertigstellungstermine vielmals, andererseits wurden wir ab 2022 immer wieder von Tiefbaufirmen überrascht, die ohne Vorankündigung begannen, unser Gelände umzugraben. Diese Phase war chaotisch, weil wir kaum in die Planung einbezogen waren, die (Sub-)Sub-Unternehmen stetig wechselten und es kaum möglich war, Auskünfte zu bekommen. Was blieb, war die Ungewissheit – selbst als die Tiefbauarbeiten erledigt waren, raunten die Projektleitenden noch: also ob man den avisierten Fertigstellungstermin in einem halben Jahr einhalten könne, das wolle man uns nun wirklich nicht versprechen.

Mir war irgendwann alles egal – ich hätte viel dafür getan, dass der Anschluss endlich geschaltet würde. Ich war zermürbt von der Unzufriedenheit in der Gemeinschaft (obwohl die Dunkelziffer derer, die mich dankenswerterweise in Ruhe ließen, vermutlich hoch ist), und auch erschöpft von der vielen Arbeit, die die Mangelverwaltung mit sich brachte. Speziell Events, die wir live ins Internet übertrugen, gingen umfangreiche Kalkulationen voraus, bei denen wir um jedes Kilobyte Übertragungskapazität rangen. Das sollte nun alles ein Ende haben – mit einer Leitung, die die hundertfache Kapazität der bisherigen hätte?

Seltsamerweise mischte sich mit der Zeit auch ein wenig Wehmut in die Vorfreude. Wie würde es unser soziales Miteinander verändern, wenn hundert Menschen die Möglichkeit hätten, zeitgleich hundert verschiedene Filme anzuschauen? Würde mit der neuen Fülle auch die Anspruchshaltung steigen und sich bald eine neue Unzufriedenheit einstellen? Würde ich in Rechtfertigungsdruck kommen, wenn ich an den Größenbeschränkungen für Mail-Anhänge auf den Gemeinschaftsverteilern festhielte?

Auch Äußerungen, dass unsere lokale Infrastruktur künftig obsolet sei – man könne dann ja alles über „die Cloud“ abwickeln – machten mich nachdenklich. Denn für mich ist es nach wie vor ein hoher Wert, dass wir einige Dienste selbst vor Ort betreiben, anstatt uns anonymen Cloudanbietern auszuliefern. Wir betreiben ja auch eine sorgfältige Lebensmittel-Bevorratung, obwohl der Bio-Großhandel uns Woche für Woche beliefert. Und niemand würde den Anbau eigener Lebensmittel in Frage stellen, obwohl wir Gemüse ebenso (und oft billiger) über den Großhandel einkaufen könnten. Diese Wertschätzung fürs eigene, hausgemachte, großkonzern-unabhängige wünsche ich mir auch künftig für die Netzwerkdienste, die die ZEGG-IT der Gemeinschaft bereitstellt.

Im September 2023 stand dann (wieder mal unangemeldet) ein „Telekom-Ranger“ (jawoll, so stand es auf seinem Namensschild) auf dem Platz. Die Frage, ob ich der Grundstückseigentümer sei, bejahte ich, um die Sache nicht zu verkomplizieren, und irgendwo stimmt es ja auch. Darauf versprach er: wenn ich jetzt und hier unterschriebe, sei es nur noch eine Sache weniger Tage, bis der Anschluss geschaltet sei. So war es dann tatsächlich: seither flutschen monatlich eher vier statt einem Terabyte aufs Gelände, aber die schlimmsten Befürchtungen haben sich nicht bewahrheitet: wir reden weiter miteinander, begegnen einander bei Gemeinschaftstreffen, im Resto und in der Dorfkneipe. So überwiegt inzwischen doch deutlich die Erleichterung über die neue Fülleperspektive.