Wir verstehen das ZEGG als Bildungsort für die Zukunft. Wir brauchen eine Lebensweise, die bewusster und nachhaltiger ist als der derzeitige Mainstream. Wie können wir uns dafür ausbilden und auch lernen, Gruppenfelder so aufzubauen, dass sie vertrauensvoller Nährboden für Transformation werden? Welche Fähigkeiten gilt es dabei zu trainieren?
Wir- Bewusstsein
Die Komplexität unserer globalen Krisen verlangt komplexe Sichtweisen, die heute nicht mehr von Einzelnen alleine gedacht werden können. Die Welt ist vernetzt und so brauchen auch wir vernetztes Denken und Fühlen. Dies bedeutet, dass wir uns bewusst in einem größeren Zusammenhang wahrnehmen und erfahren können. Wir öffnen uns für die Wahrnehmung und Perspektiven der anderen. In Feedbackprozessen erfahren wir die Auswirkung unseres Handelns auf andere. Durch Teilhabe an inneren Prozessen verschiedener Menschen in einer Gruppe entdecken wir unser individuelles und kulturelles Gewordensein und können damit bewusster neue Entscheidungen treffen. Die gemeinsame Ausrichtung auf diese Art Forschung am Menschsein erzeugt Gemeinschaft.
Wahrnehmung und Resilienz
Offenheit für andere ist ein Training. Wirklich präsent bleiben mit dem, was ist – in mir und in anderen – braucht die Fähigkeit, mitschwingen zu können, ohne sich dabei zu verlieren. In Resonanz gehen, ohne sich aufzugeben. Dies beinhaltet ein Training für Präsenz und Resilienz gleichzeitig. Nur wenn wir dies beherrschen, können wir wirklich in Verbindung bleiben. Auch mit Stellen von Schmerz, Verwundung und Trauer. Denn obwohl diese Gefühle so unangenehm sein können – nur, wenn wir sie fühlen können, bekommen wir eine Chance, auch durch sie Kraft zum Leben zu bekommen. Wenn wir uns vor ihnen abkapseln, kapseln wir uns damit auch ein Stück von der Welt ab.
Prozessorientierung statt Lösungen
Die vorherrschende Denkweise hat uns in eine Sackgasse geführt, daher können wir nicht aus derselben Ebene Lösungen für die Zukunft finden. Zukunftsfähige Lösungen entstehen nicht aus dem „Weiter so“ der Vergangenheit. Manchmal braucht es Umwege – nur welche gehen wir? Eine Kunst für Problemlösungen der Zukunft ist, sowohl die Ausrichtung nicht aus den Augen zu verlieren als auch sich von vorgefertigten Denkmustern ablenken zu lassen, um dem Energiefluss des Prozesses folgen zu können. Die Gleichzeitigkeit von Fokus halten und Loslassen können ist ein Geheimnis eines gelungenen Prozesses. Auch wenn wir Prozesse in Gruppen begleiten, ist die Fähigkeit zu dieser Balance wichtig. Dies berührt oft eigene Lebensthemen, mit denen es sich lohnt, vertraut zu machen.
Persönliche Trigger kennen
Wenn wir einen konstruktiven Beitrag leisten wollen, ist es gut, unsere persönlichen Trigger zu kennen. Dies können alte Verletzungen sein, fehlende Privilegien, traumatische Stellen. Zu wissen, an welchen Stellen unsere Wahrnehmung getrübt ist, hilft uns, in Gruppen zu navigieren. Wir lernen zu unterscheiden, wo ein Auslöser etwas aus anderen Kontexten oder der Vergangenheit wachruft, und wir deshalb unangemessen stark reagieren. Durch die Unterscheidung können wir uns mehr und mehr dem Moment angemessen verhalten und dadurch in Beziehung bleiben. Wir lernen, Trigger wahrzunehmen und „zu versorgen“, aber eben möglichst nicht unbewusst auszuagieren. Unterstützend ist hier, uns von anderen Feedback einzuholen, da Getriggertsein von „außen“ manchmal schneller und leichter wahrgenommen werden kann.
Exemplarisch arbeiten
Viele Fragestellungen und Schwierigkeiten mit uns selbst, in Teams und Gruppen haben mit persönlichen Themen zu tun. Jeder Mensch hat Wünsche, Bedürfnisse ebenso wie Fehler, Charakterschwächen, Konditionierungen etc. Und wir alle haben kulturelle und kollektive Prägungen und Wunden, die unser Verhalten beeinflussen, uns aber oft gar nicht bewusst sind. Wir können in Gruppen weder darüber hinweggehen, noch alle Themen aufgreifen und bearbeiten. Es braucht Prozesskompetenz, die diese Komplexität mit einbezieht und persönliche Themen konkret bearbeitet, aber in einem exemplarischen Kontext. Exemplarisch arbeiten bedeutet, Muster zu erkennen, die auch für andere gelten, Dinge so in Bezüge zu setzen, dass sich Menschen mit ähnlichen Themen wieder erkennen. So entsteht eine Feldwirkung durch Prozessarbeit.
Das Persönliche ist politisch
Warum benennen wir hier als nachhaltige Fähigkeiten innere Fähigkeiten und nicht praktische Dinge wie „weniger Konsum, Solarzellen bauen“ etc.? Diese Kompetenzen sind sicher Teil des Lösungsweges. Aber die Veränderung muss tiefer in der Haltung zum Leben verankert sein als nur in speziellem Verhalten, damit sie nachhaltig werden kann. In Gemeinschaft haben wir erfahren, dass unser gesellschaftliches Erbe tief in uns verankert ist – und dies bedeutet oft immer noch: „zuerst ich, dann die anderen“ oder „im Zweifelsfall muss ich alles alleine machen“, -obwohl wir eigentlich ganz andere Werte haben. Wenn wir diese tieferen Schichten mehr ins Bewusstsein holen und transformieren, werden äußere Veränderungen nachhaltiger. Wenn wir uns als verbundene Wesen wahrnehmen bedeutet dies, dass wir beim Handeln auch die Folgen unserer Handlungen fühlen und beachten.
Das Forum ist ein im ZEGG weiter entwickelter Prozess, der all diese Fähigkeiten trainiert. Viele Gemeinschaften haben bereits erfahren, dass durch eine Forumspraxis Vertrauen entsteht und wir als Menschen wachsen können. Voraussetzung dafür ist eine ausgebildete Forumsleitung und eine Gruppe, die ein tieferes Verständnis vom kulturell-künstlerischen Hintergrund des Forums und menschlicher Bewusstseinsarbeit hat.
Um solche Gruppen aufbauen zu können, bieten wir im ZEGG eine zweijährige Ausbildung an. Es gibt drei Grundmodule, die individuell gebucht werden können. Die anschließende Leitungsphase findet in einer geschlossenen Gruppe statt. Das Ziel des Forums ist kulturelle und individuelle Transformation, daher nennen wir unsere Ausbildung Transfor(u)m. Ausführliche Infos hier: www.transforum.zegg.de
Von Barbara Stützel